Interview mit den Polymachern in „Die Preziöse – queeres Gesellschaftsmagazin“

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Seit über 5 Jahren gibt es in Stuttgart mit den Polywaggons eine Alternative in der queeren Ausgehwelt. Als queer-alternative CSD-Party konzipiert, fand sie anfangs die perfekte Location in den Waggons des Nordbahnhofs und wurde bald zur Kultveranstaltung für Menschen aus Stuttgart und Umgebung. Seit einem Jahr gibt es nun auch den Ableger in Taschenformat, die Poly Pocket. Das Poly-Team hat uns einige Fragen beantwortet zu seiner Geschichte, der Wichtigkeit von Vielfalt, und erklärt, wieso es wichtig ist, Plattformen zu bieten für Menschen mit sexueller Orientierung, die mehr als reines Partyvergnügen erleben wollen.

Stellt euch mal vor: Wer seid ihr denn eigentlich? Wer steckt hinter der Orga?

Ursprünglich war die Polywaggon eine Two-Woman-Show unserer Gründerinnen Frau Bär und Frau Müller. Inzwischen sind wir ein eingetragener Verein, der aus einem harten Kern von 10 Menschen besteht. Support erfahren wir von vielen Helferinnen und Helfern. Wir sind Menschen, die die Abwesenheit von Schubladen in ihrem ganz persönlichen Freundeskreis und Alltag leben, und diese Offenheit auf einen größeren Kreis ausdehnen wollen. Wir Polys stellen diese Zuordnungsmodelle nach Sexualität, Geschlecht, Gender, Hautfarbe, Religion, etc. nicht nur in Frage, sondern lassen diese ersatzlos fallen und adressieren somit ein Publikum, das es uns gleich tun möchte. Wir bedienen uns dabei der vielen verschiedenen Fähigkeiten, Interessen, Möglichkeiten und Talente in unserem Kreis.

Für diejenigen, die nicht aus Stuttgart und Umgebung sind: Erklärt uns doch mal, was diese Waggons am Nordbahnhof sind.

Während unserer Suche nach einer Off-Location in Stuttgart, sind wir damals auf die Waggons gestoßen. Das war eine subkulturelle Gemeinschaft, mit Künstlerinnen und Künstlern, deren Tore für unsere Ideen weit offen standen und uns die Möglichkeit bot, unsere Queer Alternative CSD-Party dort auszurichten. Zwischenzeitlich sind die Waggons umgezogen. Sie wurden ein paar Kilometer weiter östlich nach Bad Canstatt verfrachtet was für eine Party, die den Anspruch hat aus der Mitte heraus zu wirken, leider zu weit weg ist.

Besonders sympathisch finde ich ja euer “Motto”: Für Menschen mit sexueller Orientierung. Ein paar Worte zu eurer “Philosophie”?

Sexuelle Orientierung im Allgemeinen bedeutet für uns, dass wir nicht in den herkömmlichen Kategorisierungen und Stereotypen verweilen, sondern uns aus uns selbst heraus definieren und Sexualität oder Geschlecht nicht innerhalb der heteronormativen Schubladen ausleben.

Das POLY in unserem Namen kommt vom griechischen πολύς (viel, mehrere) und steht für die Vielfalt, die durch die Dekonstruktion herkömmlicher Gruppierungen und Szenen entsteht, für die Vielfalt der Individuen und Fähigkeiten im Veranstalter-Team und für die Vielfältigkeit der Events, die von uns ausgerichtet werden. Unsere Philosophie spiegelt sich in der Zusammensetzung unserer Gruppe wider und wir möchten mit unseren Veranstaltungen ein mindestens ebenso bunt gemischtes Publikum ansprechen!

Einmal im Jahr wird mit der Polywaggons die Queer Alternative CSD Party gefeiert – wie wichtig ist es, eine Alternative zu den anderen Veranstaltungen zu geben?

Sehr wichtig. Die Enge und Uniformität der immer gleichen schwul-lesbischen Veranstaltungen in Stuttgart war uns nicht bunt genug. Wir möchten eine Plattform abseits gesellschaftlicher Normvorstellungen bieten, um mit ALLEN gemeinsam zu feiern, die Lust dazu haben.

Ihr sagt auf eurer Webseite, dass ihr nicht nur Partyvergnügen bieten wollt, sondern vielmehr “künstlerische und gesellschaftlichen Frei-, Denk-, Feier- und Kommunikationsräume”, in denen “Kunst, Literatur und Kreationen aus allen Medienbereichen” mit eingeschlossen sind. Was genau können wir uns darunter vorstellen?

Unser Anspruch ist, bei unseren Partys mehr zu bieten, als reines Partyvergnügen. So zum Beispiel hatten wir auf unseren letzten Veranstaltungen eine polymorphe Photobox, analoges Ponyreiten, Neon-Pingpong, Video-Installationen der Destillation des Pink Pope Welcome Drinks, eine queer wedding und vieles mehr. Zu unserem Konzept gehören aber auch regelmäßige Live Acts und DJanes. In der Zukunft planen wir noch mehr alternative Konzepte, wie zum Beispiel Coming Out – Lesungen, Filmvorführungen, Gender Over Takes heteronormativer Räume und vieles mehr.

Seit etwa mehr als einem Jahr gibt es nun die zweite Veranstaltungsreihe, die Poly Pocket. Wie kam es dazu?

Wir möchten präsent bleiben, an der Oberfläche. Das Thema ist zu wichtig, als dass es in Vergessenheit geraten sollte. Und einmal im Jahr war uns zu wenig, daher entwickelten wir eine Polywaggon im Taschenformat – die Poly Pocket. Die perfekte Location fanden wir mit dem Universum am Charlottenplatz inklusive Unisex-Toiletten.

So, und am 15.11. ist also wieder was los in Stuttgart. Worauf dürfen wir uns freuen?

Natürlich viel Queerness, viel Musik, viel Tanz. Die Mutter der Polys, Frau Bär lädt zum Schiebertanz ein. DJane Scarlett aus Zürich (queer feminist) und DJane Half Melsion aus Stuttgart (indie-dance-electro-pop-wave) werden ebenfalls die Räume beschallen. Zudem wird es queere Kunstinstallation geben. Ein Gender Switcher, die Poly Bakery, bärtige Frauen, Welcome Drinks und vieles mehr. Wir freuen uns auf euch! Gerne könnt Ihr euch auch für unseren Newsletter registrieren. Auf unserer Webseite erhaltet ihr weitere Infos.

Wir danken den Polys für das Gespräch und wünschen viel Spaß am Freitag und alles Gute für die Zukunft!